Was fällt dir ein, sobald du an Yoga denkst?

Denkst du an schlanke Influencer:innen, die sich in allen möglichen Posen verrenken können – fast schon wie Schlangenmenschen im Zirkus? Man meint, sie machen den ganzen Tag nichts anderes…und alle leben in Häusern, in denen keine Möbel stehen, nur Pflanzen und Buddhas. Oder sie fahren von Hotspot zu Hotspot, balancieren auf den Händen und betrachten kopfüber den Sonnenuntergang.

Oder denkst du bei Yoga eher an alte indische Mönche, die den ganzen Tag in einer Höhle sitzen und man nicht mit Sicherheit sagen kann, was genau sie da machen…ob sie schlafen oder meditieren oder mit einer höheren Macht im Gespräch sind?

Wahrscheinlich gehen deine Gedanken eher in Richtung Ersterem, denn lange Zeit war Yoga in unseren westlichen Breitengraden überhaupt nur durch die Körperhaltungen bekannt. Gerne wurde Yoga als Gymnastikübung belächelt und anfangs auch tatsächlich als solche beworben. Mittlerweile ist die Wirkungsweise und Vielseitigkeit des Yoga aber gottseidank auch im Westen anerkannt und möchte von uns entdeckt werden. (Übrigens nicht nur von fitten, attraktiven, jungen Menschen. Yoga ist nun wirklich für jeden bestens geeignet!)

 

In meinen letzten Artikeln haben wir ja bereits mit der Entdeckungsreise begonnen und die ethischen und moralischen Grundprinzipien des Yoga kennengelernt.

Und heute geht es nun also um die Asanas und das Pranayama – die Körperhaltungen und die Atemübungen. Sie gehören in meinen Augen zusammen, wie Yin & Yang, wie Salz & Pfeffer, wie Himmel & Erde – denn ohne die richtige Atemkontrolle in den Asanas, sind diese tatsächlich einfach nur Gymnastikübungen und haben bei weitem nicht solch eine intensive Wirkung.

Beginnen wir aber erstmal mit den Körperhaltungen. Warum machen wir das eigentlich? Dieses verdrehen und verrenken?

Tatsächlich ist die ursprünglichste aller Haltungen der Lotus- bzw. Schneidersitz. Um den Körper aber besser auf die langen Meditationseinheiten vorzubereiten, kamen im Laufe der Zeit (und wir sprechen hier von mindestens zweitausend Jahren) immer mehr Asanas hinzu. In manchen alten Schriften wird von 84.000 Yogahaltungen gesprochen, in den meisten Schulen werden heute ungefähr 84 Körperstellungen gelehrt und im Bikram Yoga sind es gar nur 26 Asanas, die praktiziert werden.

All diese Yogahaltungen helfen uns, den Körper zu dehnen, zu stärken und zu mobilisieren. Das bewusste Hineingehen, das bewusstes Halten und das bewusste Auflösen der Asanas ist hierbei besonders wichtig. Wir sprechen in der Ausführung immer von zwei Qualitäten – Anspannung und Entspannung, Stabilität und Wohlbefinden.

Somit dienen Asanas aber nicht nur körperlicher Geschmeidigkeit und vitaler Kraft, sondern auch einer guten Körperbeherrschung. Und natürlich haben sie auch Auswirkungen auf unserem Geist. Sie helfen dabei, sich zu konzentrieren, sich in Geduld und Selbstliebe zu üben und den Gedankenfluss zur Ruhe zu bringen.

Im Yoga geht es grundsätzlich nicht um Leistung, darum etwas zu erreichen oder um irgendwelche Erfolge. Die perfekte Stellung einzunehmen ist weniger wichtig als durch sie eine spirituelle Qualität zu erleben, also beispielsweise zu spüren, dass man so in Ordnung ist, seine Grenzen anzunehmen oder behutsam im Umgang mit sich zu sein. Es geht nicht um eine bestimmte Pose, sondern um den Weg in diese Pose, was fühle ich und was lerne ich über mich.

 

Aber welche Rolle spielt denn jetzt das ganze Pranayama dabei?

Beim Pranayama geht es nicht nur um die reine Aufnahme von Sauerstoff, sondern darum, dass wir unseren Körper und unsere Zellen mit Energie füllen – man spricht hier auch von der sogenannte Lebensenergie, unserer Lebenskraft.

Durch das Üben verschiedener Atemtechniken und die Kontrolle des Atemfluss verbessern wir also nicht nur unser Lungenvolumen, sondern versorgen dadurch auch unsere Zellen, und somit unser komplettes System, viel besser mit Energie.

Die Yogahaltungen unterstützen diesen Prozess und verstärken somit auch die Wirkung. Wenn wir beispielsweise die Kobra üben, atmen wir tief ein. Durch die Öffnung der Körper Vorderseite hat der Atem mehr Platz in unserem Bauch, in unseren Lungen, in unserer Brust und wir können mehr davon aufnehmen.

Anders ist es, wenn wir in eine Vorwärtsbeuge gehen – dann atmen wir aus. Das Zusammenpressen des Oberkörpers und einziehen des Bauchnabels ermöglicht es uns, noch tiefer auszuatmen und die Lungen vollständig zu leeren. Hier siehst du ganz deutlich, wie sich die Körperhaltungen und die Atmung gegenseitig unterstützen können, wenn wir sie bewusst miteinander verbinden.

Eine besondere Gruppe unter den Asanas bilden übrigens die Vinyasas.

Vinyasas sind Bewegungsfolgen, die aus einzelnen Haltungen bestehen, dynamisch ausgeführt werden und vom Atem geführt werden. Solch ein Vinyasa, dass dir bestimmt auch bekannt ist, ist der Sonnengruß – Surya Namaskar. Mit jedem ein- und ausatmen nimmst du eine neue Position ein und kommst dadurch in diesen Flow, der dir Energie und Vitalität schenkt und wie eine Art aktive Meditation wirkt. Immerhin praktizieren indische Mönche den Sonnengruß jeden Morgen vor Sonnenaufgang bis zu 108 Mal in Folge!

 

Keine Sorge, das sind sicherlich eher Ausnahmen – aber probiere es gerne mal aus und übe jeden Morgen drei oder sechs Runden Sonnengruß. Du wirst wach, dein Körper wird gedehnt, gestreckt und vitalisiert – der Tag kann beginnen. Achte bei deinen Yoga Einheiten generell mehr auf deinen Atem und passe ihn deinen Bewegungen an, denn ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass das bewusste Atmen in den Asanas viel Ruhe und mehr Energie in meine Haltungen gebracht hat und ich mich dadurch in meinen Yoga Stunden wie getragen fühle.

Und das wünsche ich dir auch … mehr Energie, mehr Wohlbefinden und eine intensivere Yogapraxis.

Namasté