Vom Sonnengruß hast du wahrscheinlich schon mal was gehört, auch wenn du bisher vielleicht noch nicht so viel Yogaerfahrung hast. Aber was genau ist der Sonnengruß und warum üben wir Yogis ihn immer und überall?

Der Sonnengruß – im Sanskrit bekannt als Surya Namaskar – ist eine Ehrerbietung an den Gott der Sonne. Namaskar heißt frei übersetzt Ehrerbietung oder Gruß. Surya ist der Name des hinduistischen Sonnengottes.

Entwickelt wurde der Sonnengruß vor vielen tausend Jahren und wurde seitdem in Indien gepflegt und bewahrt. Die Weisen brachten Ihre Ehrfurcht vor der Sonne zum Ausdruck, indem sie sich täglich vor ihr verneigten. Die Sonne wird in vielen Kulturen als Spenderin des Lichtes und des Lebens verehrt. Ohne Ihre Wärme gäbe es kein Leben auf der Erde. Ursprünglich wurde der Sonnengruß daher morgens mit Blick zur aufgehenden Sonne praktiziert.

Aber was genau ist der Sonnengruß? Es handelt sich hierbei um die Abfolge von zwölf Asanas (Körperhaltungen), die so aufeinander abgestimmt sind, dass dein Rücken, deine Hüften und die Arme gedehnt und gekräftigt werden und dein Kreislaufsystem aktiviert wird. Die Nervenbahnen werden stimuliert, dein Bewusstsein wird geweckt. In mancher Yoga Lektüre werden bis zu 25 unterschiedliche Sonnengruß Varianten beschrieben, aber keine Sorge, du musst sie nicht alle beherrschen. Meistens konzentrieren sich die Yogalehrer auf die drei gängigsten Versionen.

 

Surya Namaskar ist sehr vielseitig, es eignet sich perfekt zum Aufwärmen in der Yogastunde oder auch als Morgenroutine, um den Körper in der Früh zu wecken und zu strecken. Trotz seiner vorgegebenen Abfolge ist der Sonnengruß doch recht flexibel und du kannst die Asanas in deinem Tempo üben. Wichtig dabei ist jedoch, den Atem mit der Bewegung zu kombinieren, so dass beides synchron abläuft. Das ist besonders effektiv, weil der Atem unsere Asanas unterstützt und vertieft.

In vielen Traditionen wird gesagt, dass der Sonnengruß jeden Morgen zwölf Mal wiederholt werden soll (der Sonnengott hat zwölf Namen), damit der Yogi mit Gesundheit, Vitalität und einem glücklichen Leben gesegnet wird. Die hartgesottenen Yogis praktizieren 108 Durchgänge hintereinander, z.B. um das neue Jahr zu begrüßen. Übt man den Sonnengruß in diesem Ausmaß hat er eher eine meditative Wirkung. Dir wird warm, du kommst in den Fluss von Atem und Bewegung und dein Geist wird still. Wie beim Meditieren im Sitzen hältst du den Fokus deiner Aufmerksamkeit bei deinem Atem, lässt dich von seinem Rhythmus führen. Besonders wenn dir das Stillsitzen in der Meditation sonst schwerfällt, sind die 108 Sonnengrüße eine tolle Möglichkeit für dich, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Du denkst vielleicht „das dauert ja ewig“, aber keine Sorge, wenn es dir gelingt Bewegung und Atmung synchron zu halten, solltest du in 60-80 Minuten fertig sein.

Übrigens: Die Zahl 108 gilt im Yoga und in anderen Traditionen auf der ganzen Welt als heilig. Sie steht für die Gesamtheit der Existenz. Viele alte Yogaschriften sind in 108 Kapitel unterteilt, Götter haben 108 Namen und die Gebetskette besteht aus 108 Perlen.

Jetzt weißt du also woher der Sonnengruß ursprünglich stammt und warum er in keiner Yogaklasse fehlen darf. Wenn du den Sonnengott bisher noch nicht regelmäßig begrüßt hast, probier‘ es doch einfach mal aus und starte jeden Morgen mit drei Runden Surya Namaskar (abwechselnd rechts und links).

 

Der klassische Sonnengruß rückt nacheinander mehrere wesentliche körperliche Elemente in den Vordergrund:

BERGHALTUNG

tief atmen, verwurzeln, ankommen und dehnen

GESTRECKTER BERG

einatmen, korrekte Ausrichtung und Dehnung der Wirbelsäule

VORBEUGE (mit geradem Rücken)

ausatmen, beruhigende Dehnung der Körperrückseite

HALBE VORBEUGE

einatmen-ausatmen, Dehnung der Wirbelsäule und Öffnung des Herzens

TIEFER AUSFALLSCHRITT (zweites Bein zieht nach)

einatmen, aktive Dehnung des Hüftbeugers, des Quadrizeps und des Schultergürtels

LIEGESTÜTZ / PLANK (langsames Absinken ggf. über die Knie)

ausatmen, Kräftigung der Arme, der Schultern, des Bauchs und der Beine

KOBRA

einatmen, Kräftigung der Rücken- und Hüftstrecker

HERABSCHAUENDER HUND

ausatmen, Kräftigung und Dehnung des ganzen Körpers

TIEFER AUSFALLSCHRITT

einatmen, (Fuß der zurückgegangen ist, kommt wieder nach vorne, der zweite folgt)

VORBEUGE

ausatmen

GESTRECKTER BERG

einatmen

BERGHALTUNG

ausatmen

So, dann kann es ja jetzt losgehen. Und wenn dir das alles immer noch zu viel ist, dann übe den Sonnengruß abends bevor du ins Bett gehst, halte die einzelnen Asanas ruhig zwei oder drei Atemzüge. Das dehnt deinen Körper nochmal ganz sanft und bringt deinen Geist zur Ruhe – für einen tiefen, entspannten Schlaf.

Namasté